Christinas Geschichte:

Mein Name ist Christina und ich bin 28 Jahre alt. In meiner Zeit als Schülerin wurde ich an meiner Schule gemobbt, hauptsächlich von älteren Mitschülern. Sie haben ihr Gesicht verzogen als ich vorbeilief. Sie warteten bereits, als ich zur Schule gegangen bin und drohten mir Schläge an. Auch in den Pausen hatte ich keine Ruhe, weil sie mich verfolgten. Manchmal ging das so weit, dass meine einzige Chance, ihnen zu entkommen, das Lehrerzimmer oder das Sekretariat war. Warum haben sie mich überhaupt gemobbt? Nun, ich war übergewichtig: Auf eine Körpergröße von 1,57 m brachte ich stattliche 78 Kilo auf die Waage. Zudem habe ich eine Gaumenspalte. Man kann sie zwar nicht sehen, weil ich keine Lippenspalte habe, aber an meiner nasalen Aussprache umso besser hören. Ich wurde geschlagen und terrorisiert. Niemals Ruhe, immer auf Anspannung, ich wusste schließlich nie was kommen würde.

Was habe ich dagegen unternommen?
Ich habe mich geschämt und niemandem davon erzählt, nicht einmal meinen Eltern. Obendrauf war Mobbing in meiner Schulzeit leider ein Tabuthema, vielleicht gab es damals noch nicht einmal den Begriff. Also gab es auch niemanden, mit dem ich hätte reden können, der hätte mitfühlen können, der Rat hätte geben können. Meine Lehrer waren in dieser Hinsicht absolut nicht ausgebildet und daher null sensibilisiert. So oft habe ich auch andere Mobbingszenen vor und nach der Schule beobachtet. So oft haben sich die Leidtragenden den Lehrern anvertraut. Aber es hatte zu nichts geführt. Aber das war damals!

Heute ist Mobbing in aller Munde. Es ist ein Thema, über das alle reden und das jeden etwas angeht und leider haben viel zu viele Menschen selbst unmittelbare Erfahrungen als Opfer eines Mobbings gemacht. Bestimmt auch jemand, den ihr kennt, dem ihr vertraut! Falls ihr Scham empfindet und es nicht über das Herz bringt: Vielleicht fällt es euch leichter mit einem Dritten, der euch nicht kennt, darüber zu sprechen.
Macht das nicht alles schlimmer? Nein! Einfach alles stehenzulassen wie es ist, ist nicht der richtige Weg! Es belastet euch, nagt an euch und, so dramatisch es klingt: Es nimmt euch irgendwann ein. Es braucht Mut, darüber zu reden. Mehr Mut, als jeder einzelne eurer Mobber hat. Aber es ist wirklich eine Befreiung. Denn nur wenn ein Problem bekannt ist, kann es gelöst werden. Gegen das Anvertrauen können die Mobber nichts machen, das ist eine von vielen Gelegenheiten für euch zu sehen, wie wenig Macht sie über euch wirklich haben. Um es ganz klar zu sagen: Mobber haben so viel Macht über euch, wie ihr ihnen gewährt. Der erste Schritt, ihnen ihre Grenzen zu zeigen und sie zu besiegen ist es, über das Mobbing zu sprechen.

Wie hat sich das Mobbing auf mein Leben ausgewirkt?
Eines Morgens stand ich vor dem Spiegel. Ich sah hinein, aber sah nicht mich. Ich sah jemanden, der ich nicht sein wollte, der ich nicht war, der nicht aussah wie ich. Etwas hatte sich in mir geändert. In diesem Moment. Vor dem Spiegel. Ich wusste, was zu tun war:
Ich fing an, abzunehmen, mich gesünder zu ernähren und Sport zu treiben. Unterstützt hat mich dabei meine Familie, insbesondere mein Bruder. Er hat jeden Tag mit mir trainiert und mich motiviert weiter zu machen. Und das Mobbing? Hat schlagartig aufgehört. Ich hatte nicht nur eine körperliche Veränderung, nein auch eine mentale Veränderung durchgemacht. Ich war selbstbewusst, hatte keine Angst mehr und habe mir selbst mehr vertraut denn je. Vor allem habe ich den Mobben etwas vor Augen geführt, was sie selbst nicht hatten: meine innere Stärke und mein eigenes Vertrauen in mich selbst. Davon profitiere ich bis heute. Ich bin sensibler geworden und hellhöriger, ich schaue nicht weg. Ich höre jedem zu, der sich mir anvertraut, versuche zu helfen und Tipps zu geben, indem ich meine Erfahrungen teile, egal was für einen Lebensbereich es betrifft. Das Miteinander stärkt dich selbst und die anderen auch.

Was habe ich gelernt:

Mobbing hat mein Leben verändert. Es war eine schwere Zeit aber ich habe gekämpft und bin den Menschen um mich rum dankbar, die mir geholfen und mich begleitet haben. Heute belasten mich meine eigenen Erfahrungen nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Wenn ich jetzt darüber spreche oder schreibe, fühlt es sich wie ein fremdes Leben an. Ich kann manchmal nicht glauben, dass mir das passiert ist. Ich habe mir jeden Frust und negative Gedanken regelrecht „wegtrainiert“, bin daran gewachsen und habe mit meinen Erfahrungen Frieden geschlossen. Ich versuche anderen zu helfen, so gut ich kann. Mobber haken an Oberflächlichkeiten, sehen aber das Innere in dir nicht. Sie sehen deine Stärke und dein Wesen nicht und kommen da auch nicht ran. Gib nicht auf, verliere nicht den Kampfgeist, du kannst so viel mehr bewegen als du in diesem Augenblick denkst. Offenheit und Mut bricht Mobbing. Kommunikation und Zusammenhalt bricht Mobbing. Zusammen brecht ihr Mobbing. Jeder einzelne von euch.