Panikattacken
Mobbing hat viele „Nebenwirkungen“. Die Folgen können sogar erst Wochen, Monate oder gar Jahre später auftreten.
Genau das war bei mir der Fall. Ich habe seit über dreieinhalb Jahren Panikattacken.
In diesem Beitrag werde ich etwas über meine Geschichte erzählen & ein einige Tipps geben:
Was sind eigentlich Panikattacken?
„Als Panikattacke wird das einzelne und in der Regel einige Minuten anhaltende Auftreten einer körperlichen und psychischen Alarmreaktion ohne objektiven äußeren Anlass bezeichnet“ (Quelle: Wikipedia). Panikattacken sind also Warnsignale vom Körper.
Meine Story
Seit 2018 habe ich Panikattacken. Das begann alles sehr schleichend. Anfang 2018 wusste ich allerdings noch nicht, dass das Panikattacken sind. Natürlich war mir der Begriff bekannt. Doch darunter habe ich mir immer etwas anderes vorgestellt.
Da ich groß und schlank bin, war meine persönliche Diagnose: ich habe Kreislaufprobleme.
Doch da habe ich mich geirrt. Das waren keine Kreislaufprobleme – das waren Panikattacken.
Diagnose
Ende April 2018 war ich mit einem Arbeitskollegen zum Mittagessen verabredet. An diesem Tag war es sehr schwül und warm. Vor dem Treffen hatte ich schon ein starkes Unwohlsein. Ich dachte schon darüber nach, das Treffen abzusagen. Doch es wurde etwas besser.
Nach 5 Minuten im Restaurant habe ich während dem Gespräch von einer Sekunde auf die andere eine heftige Panikattacke bekommen. Ich war total geschockt. Ich wusste nicht, was mit mir los war. Ich hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Oder war es sogar ein Herzinfarkt? Das Treffen musste ich dann abbrechen.
Zu diesem Zeitpunkt war ich total verzweifelt. Die Symptome waren mir durch die vergangenen Wochen bekannt. Allerdings nicht in dieser Intensität.
Zu Hause angekommen wurde es dann langsam wieder besser. Mein Körper hat sich beruhigt.
Eine Woche später hatte ich das gleiche Erlebnis bei der Arbeit. Da die starken Symptome nicht besser wurden, musste ich nach Hause. Zu Hause wurde es allerdings nicht besser. Letztendlich war ich zwei Wochen krankgeschrieben. Ich konnte nicht einmal 50m spazieren gehen, ohne eine Panikattacke zu bekommen.
Ich wurde komplett durchgecheckt: Blutwerte, Herz, Schilddrüse etc. etc. etc.
Diagnose: Panikattacken
Seitdem ich nun wusste, dass ich Panikattacken habe, habe ich mit der Recherche angefangen. Was sind Panikattacken? Was sind die Ursachen? Gehen sie wieder weg? Was kann ich tun?
Die Diagnose bekam ich Mitte / Ende Mai 2018. Seit diesem Zeitpunkt habe ich täglich Panikattacken.
Wie äußern sich Panikattacken?
Das ist bei jeder Person immer etwas unterschiedlich. Ich erzähle von meinen Symptomen:
Bei mir geht es mit einer starken inneren Unruhe los. Es folgt: Unwohlsein, körperliche Schwäche, starker Schwindel, Unwohlsein, Zittern am ganzen Körper, Herzrasen, Atemnot, Übelkeit, Magenkrämpfe, Schweißausbrüche, Hitzewallungen, Sehstörungen: Panik!
Es fühlt sich immer so an, als würde ich gleich zusammenbrechen und umkippen. Ich habe regelrechte Ohnmachtsgefühle.
Nach einer Panikattacke bin ich immer total fertig. Das ist körperlich wirklich wahnsinnig anstrengend. Je stärker die Attacke war, desto schlimmer. Manchmal bekomme ich dadurch sogar Muskelkater, da der Körper in einer extremen Anspannung war.
Wann treten die Panikattacken auf?
Das ist bei jeder Person unterschiedlich. Ich habe eine soziale Phobie. Heißt: Panikattacken treten bei mir immer in Anwesenheit bzw. während Gesprächen mit Personen auf. Egal ob bei der Familie, bei Freunden, Arbeitskollegen, fremden Personen etc.
Ich liebe es, neue Menschen kennenzulernen, spannende Unterhaltungen etc.
Warum treten genau in solchen Situationen Panikattacken auf? Dazu komme ich später.
Die Anfangszeit
Die Anfangszeit war nett ausgedrückt: heftig. Ich habe mich total zurückgezogen. Wochenlang habe ich mich nicht mehr mit Freunden getroffen.
Sogar beim Mittagessen mit meiner Familie habe ich Panikattacken bekommen. Arbeiten war für mich die Hölle. Wochenlang habe ich keine Filme für Kunden gedreht.
Normale Alltagssituationen waren für mich die allergrößten Herausforderungen. Einkaufen war unmöglich. Freunde treffen in den ersten Wochen und Monaten - wie gesagt - auch. Unternehmungen? Undenkbar! Urlaub? Urlaub war nicht mal ansatzweise möglich.
Ich war im Teufelskreislauf gefangen. Die Panikattacken hatten mein Leben im Griff. Ich war wie eine Marionette.
Immer mehr habe ich mich dadurch zurückgezogen. Ich hatte kein normales Leben mehr.
Wie geht man damit um?
Für mich war es anfangs extrem schwer. Niemand hört gerne: „Sie haben eine psychische Krankheit“.
Warum habe ich das? Ich bin doch noch so jung.
Meine Strategie anfangs: Es darf niemand mitbekommen. Nur meine Familie, mein engster Freundeskreis und meine engsten Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen wussten Bescheid.
Ich konnte es ihnen nicht mal persönlich sagen. Wenn ich darüber gesprochen habe, dann habe ich sofort eine Panikattacke bekommen. Schreiben war okay – Telefonieren war anfangs zeitweise sehr schwer möglich.
Meine Strategie ging irgendwie dank verschiedener Ausreden auf. Man hat es mir nicht wirklich angemerkt.
Wenn ich gespürt habe, dass sich eine Panikattacke anbahnt, dann bin ich geflüchtet. Dazu komme ich später nochmal.
Meine Strategie war allerdings völlig falsch. Es wurde immer schlimmer. Denn immer hatte ich folgenden Satz in meinem Kopf: „Es darf mir niemand anmerken, dass ich Panikattacken habe.“
Innerlich hat sich da ein wahnsinniger Druck aufgebaut. Im Frühjahr 2019 ging es für mich dann nicht mehr weiter. Ich habe ein YouTube Video über das Thema Panikattacken gedreht (ist mittlerweile auf privat gestellt). Ich habe ganz offen über meine Story erzählt. Ziel war es, dass Menschen, mit denen ich regelmäßig Kontakt habe, das Video sehen. Das Video hat sich für mich total gelohnt. Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Endlich ist es raus! Seitdem ging es langsam aufwärts. Natürlich kam von dem ein oder anderen der Spruch: „Muss man das öffentlich machen?“
Meine Antwort ganz klar: Ja!
Was hilft bei einer Panikattacke?
Wie vorhin bereits erwähnt, war meine Rettung immer die Flucht. Ist ja auch logisch, oder? In der Steinzeit war das doch auch so. War ein Säbelzahntiger in der Nähe, war die Flucht die einzige Rettung.
Natürlich steht kein Säbelzahntiger vor mir, aber die Reaktionsmuster sind ähnlich. Eine reelle Gefahr besteht nicht. Ich wurde von Ärzten komplett durchgecheckt. Ich bin kerngesund. Körperlich ja – psychisch nein.
Hatte ich eine Panikattacke, dann wurde sie erst besser, wenn ich der Situation geflüchtet bin. Habe ich mich zurückgezogen, dann hat sich mein Körper wieder langsam beruhigt.
Das ist aber keine dauerhafte Lösung – im Gegenteil.
Wichtig ist, dass man die Krankheit kennen und verstehen lernt. Man muss versuchen, sie zu akzeptieren. Auch wenn das total schwierig ist. Ich habe monatelang gegen meine Psyche gekämpft. Habe ich gewonnen? Natürlich nicht.
Man kann nichts mehr daran ändern – die Panikattacken sind da. Steigert man sich rein, dann wird es nur noch schlimmer.
Es ist total wichtig, offen damit umzugehen. Rede mit anderen darüber! Es ist wirklich nichts Schlimmes. Niemand wird Dich deswegen verurteilen. Panikattacken haben sehr viele Menschen. Viele wissen meist gar nicht, dass es tatsächlich Panikattacken sind. Nachdem ich das öffentlich gemacht habe, habe ich sehr viele Rückmeldungen bekommen. Plötzlich haben viele Leute mir erzählt, dass sie es auch mal hatten bzw. immer noch darunter leiden.
Geh zum Psychologen! Die Hemmschwelle ist extrem groß. So war es bei mir auch. Deshalb hat es auch Monate gedauert, bis ich den Schritt gewagt habe. Ich hätte es wirklich viel früher machen müssen. Es ist überhaupt nicht schlimm, sich professionelle Hilfe zu suchen – im Gegenteil!
Man muss die Krankheit verstehen und die Ursache suchen. Panikattacken sind Warnsignale vom Körper. Man muss etwas am Leben verändern. Auch wenn das nicht so einfach ist.
Dank meinem Arzt/Psychologen habe ich die Krankheit noch viel besser kennen und verstehen gelernt. Ich verstehe diesen Teufelskreislauf. Ich verstehe, warum ich Panikattacken in der Anwesenheit von Menschen habe. Ich verstehe meine körperlichen Symptome. Genau das ist extrem wichtig.
Autogenes Training und Atemübungen kann ich total empfehlen!
Was wahnsinnig hilft, ist nicht die Flucht, sondern die Konfrontation! Ja, die Konfrontation. Als Angst- bzw. Panikpatient ist es nicht das, was man hören will. Alleine der Gedanke daran hat bei mir eine Panikattacke ausgelöst.
Ich habe die Krankheit akzeptiert, ich verstehe sie, ich bin „Experte“ und jetzt stelle ich mich der Angst! Aber das langsam und Schritt für Schritt. Das alles braucht seine Zeit. Man braucht viel Geduld. Natürlich ist das total anstrengend. Aber das Gehirn merkt irgendwann, dass keine reelle Gefahr besteht. Bei jedem neuen Versuch wird es besser. Dann gibt es mal wieder Situationen, wo es plötzlich wieder schlechter ist. Aber das ist völlig normal. Ziel ist es, ein normales Leben führen zu können.
Ich bin wahnsinnig glücklich, wenn ich Gespräche führen kann, ohne das Gefühl zu haben, umzukippen. Für die kleinsten Dinge bin ich dankbar.
Friseurbesuche sind für mich - bis heute - eine wahnsinnig große Herausforderung. Aber jedes Mal, wenn ich es geschafft habe, bin ich wahnsinnig glücklich.
Einkaufen kann ich immer noch nicht wirklich. Gerade in Zeiten von Corona ist das noch schwieriger: Maskenpflicht und lange Schlangen. Davor flüchte ich tatsächlich noch immer.
Da ich meine erste richtig krasse Panikattacke in einem Restaurant hatte, konnte ich über ein Jahr keines mehr besuchen. Bis heute ist es immer noch eine Herausforderung. Aber, es ist viel besser, als damals.
Helfen Medikamente?
Ich bin kein Fan von Medikamenten. Denn irgendwann denkt das Gehirn: „Wenn ich das Medikament nehme, dann geht’s mir besser.“
Ich wollte nicht abhängig sein.
Aber da es anfangs so heftig war und ich kein „normales“ Leben mehr hatte, habe ich ein Medikament für kurze Zeit genommen. Antidepressiva habe ich strikt abgelehnt.
Einige Monate habe ich auch CBD Tropfen ausprobiert. Ich habe allerdings keine wirkliche Besserung gespürt. Für CBD habe ich teilweise pro Monat ca. 150 € ausgegeben.
Natürlich ist es jedem selbst überlassen. Ich wollte den Weg ohne Medikamente gehen.
Vor was habe ich Angst/Panik?
Diese Frage habe ich mir auch schon oft gestellt. Vor was habe ich Angst? Die Panikattacken sind zu einem Zeitpunkt aufgetreten, wo ich mit meinem Leben eigentlich extrem glücklich war.
Meine Panikattacken sind die Folgen von Mobbing und dem Psychoterror. Das ist sicher. Ganz schnell hat sich allerdings die Angst vor der Angst entwickelt. Heißt: ich habe Angst, eine Panikattacke zu bekommen. Willkommen im Teufelskreislauf!
Mit der Zeit entwickeln sich einige Trigger. So war es bei mir auf jeden Fall. Manchmal sind es Geräusche oder andere Dinge, die eine Panikattacke auslösen. Es können aber auch Personen sein, mit denen ich Probleme hatte.
Der ein oder andere kennt meine Triggerpunkte. Diese Menschen machen bewusst diese Dinge, damit ich eine Panikattacke bekomme. Das ist leider keine Seltenheit. Bis heute machen das manche Menschen noch.
Wie sollen sich Menschen im Umfeld verhalten?
Da kann ich nur für mich sprechen: völlig normal – wie bisher auch. Niemand muss sich jetzt plötzlich verstellen. Es ist wichtig, dass diese Krankheit verstanden wird. Menschen, die noch nie eine Panikattacke hatten, können sich das schwer vorstellen. Das konnte ich vor dieser Zeit auch nicht.
Sprüche wie: „Da musst Du durch“ oder „Dir passiert doch sowieso nichts“ kann ich wirklich nicht mehr hören. Natürlich ist mir das alles bewusst. Mir ist auch bewusst, dass ich gesund bin und dass mir nichts passieren wird. So einfach ist das allerdings leider nicht. Verständnis ist total wichtig!
Wenn Du Fragen hast, dann stelle sie dem Betroffenen. Wenn die Person in Deiner Anwesenheit eine Panikattacke bekommt, dann bleibe ruhig und organisiere etwas zum Trinken (am Besten Wasser). Wenn die Person sich zurückziehen will, dann akzeptiere das und sorge für die nötige Ruhe.
Es gibt nichts Schlimmeres, als während einer Panikattacke von anderen genau beobachtet zu werden.
Persönliches Fazit
Seit über fünf Jahren lebe ich nun mit Panikattacken. Wie gesagt, ich habe es akzeptiert und kämpfe mich zurück. Im Vergleich zu damals ist es wirklich viel viel besser! Trotzdem habe ich noch regelmäßig Panikattacken. Aber nicht mehr so intensiv, wie damals.
Ich stelle mich den Situationen. Termine sage ich nicht mehr ab. Stress tut mir eigentlich ganz gut. Auf der einen Seite ist es mit den Attacken natürlich extrem anstrengend, aber meine Psyche lernt jedes Mal dazu: „Hey, das ist ja gar keine reelle Gefahr. Da kann mir gar nichts passieren!“
Dank dem Funk-Format "Die Frage" habe ich eine ganz tolle Psychotherapeutin gefunden. Seit Herbst 2021 bin ich bei ihr in Behandlung. Jeder Termin tut mir total gut. Dank ihr habe ich sehr viel Neues gelernt. Mir war bewusst, dass es kein leichter Weg sein wird. Es braucht Zeit und Geduld. Dass es Rückschläge gibt, habe ich auch erfahren. Im Juli 2023 hatte ich so einen krassen Rückfall. In dieser Zeit konnte ich fast nur im Bett liegen. Ich hatte dauerhaft Panikattacken. Rückfälle gehören (leider) dazu. Wenn der Körper sich so meldet, dann muss man wieder etwas ändern. Eigentlich muss man für diese Warnsignale dankbar sein.
Ich will darauf aufmerksam machen & anderen helfen. Falls Du noch weitere Fragen hast, dann schreib mich gerne an!